Heidelberger Stuhlmuseum

David Polzin - "Sitzmöbel aus der Postimperialen Phase Deutschlands"

Ausstellung: Samstag, 3. Dezember 2016 bis Sonntag, 26. Februar 2017

Vernissage: Freitag, 2. Dezember 2016, 18:00 Uhr, Heidelberger Stuhlmuseum

Parallel zum Kunstverein eröffnet im Heidelberger Stuhlmuseum eine zweite Ausstellung des Künstlers mit den „Sitzmöbeln aus der Postimperialen Phase Deutschlands“. Diese postimperiale Phase ist eine imaginäre Epoche, mit der Polzin die Vereinnahmung der ehemaligen DDR durch die Kultur und Konsumindustrie des Westens zur Zeit der sogenannten Wende beschreibt.

Die Sitzmöbel sind vom Künstler modifizierte Fundstücke, Stühle und Hocker von Sperrmüll und Dachboden. Die Möbel sind häufig Komposite, wie z.B. der „Monostuhl“ – ein brauner Hocker aus der sozialistischen Zeit, über den ein Gartenstuhl aus weißem Kunststoff gestülpt ist. Gemeinsam bilden sie ein Ganzes, das nicht recht zusammenpassen will.

David Polzin (*1982, Hennigsdorf, DDR) studierte von 2003 bis 2008 an der Kunsthochschule Berlin Weißensee bei Prof. Eran Schaerf und Prof. Karin Sander sowie an der BEZALEL- Academy of Fine Arts and Design in Jerusalem. 2009 war er Meisterschüler an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Seine Arbeiten wurden national und international ausgestellt. Letzte Einzelausstellungen waren „Möbel und Objekte aus der Postimperialen Phase Deutschlands“ (Galerie Anselm Dreher, Berlin), „Obst und Gemüse“ (MMK Zollamt, Frankfurt) und „Cassette“ (Galerie Waldburger, Brüssel). 2010/2011 war Polzin Stipendiat der Jürgen Ponto Stiftung. 2015/16 erhielt er das Kulturaustauschstipendium des Landes Berlin. Daran gekoppelt ist eine Gastprofessur am Art Center College of Design Pasadena in Los Angeles. Im Jahr 2015 erschien bei AKV Berlin seine Publikation "Marken Zeichen Signete aus der Postimperialen Phase Deutschlands".

 

SWR2 Kultur Regional am 11.01.2017 von Annette Lennartz - Die Kunst von David Polzin

David Polzin ist ein Sammler. Er sammelt das, was andere wegwerfen, z.B. Kaffeerührstäbchen aus Plastik oder auch Stühle vom Sperrmüll. 'Sitzmöbel aus der postimperialen Phase Deutschlands' nennt er sie. Mit einem eigenen, immer etwas ironischen Blick auf Lebensverhältnisse in Ost und West hat er seine Sammlungen schon im Getty Center in Los Angeles, gezeigt, auch in Budapest, Neapel, New York, San Francisco oder Madrid und nun in der Stadt Heidelberg David Polzin ist 34 Jahre alt, aufgewachsen in Brandenburg zur Nachwendezeit. Nach seinem Studium in Berlin Weißensee entschied er sich für die Objektkunst und fand sein künstlerisches Thema in seiner eigenen Biografie, nämlich in der Zeit nach dem Mauerfall. Er nennt sie die "postimperiale Phase". In dieser postimperialen Phase sei noch immer die Mentalität einer Zeit zu spüren, die als Imperialismus bezeichnet wird, in der Deutschland in Afrika Kolonien gegründete, sich Länder und ihre Wirtschaft einfach aneignete. "Bei uns nach der Wende, da kamen überall Firmen an und haben Flaggen aufgestellt von ihren Firmen. Ich habe mal eine Fotoserie gemacht von meiner Heimatstadt Velden - da leben 1800 Einwohner und ich habe 81 Flaggen gezählt. Und dann dachte ich mir: Ja, interessant, dass da so eine Wirtschaft komplett in den Boden gestampft und von einer anderen Wirtschaft übernommen wird, das ist eine gewisse imperiale Sache und vielleicht sind das auch Restmengen des ursprünglichen deutschen Imperialismus. Deswegen: die "Postimperiale Phase Deutschlands." Ganz spielerisch und immer augenzwinkernd nähert er sich künstlerisch diesem doch sehr politischen Thema. Er sammelt alte Stühle wo immer er sie findet, im Osten und Westen Deutschlands. In Heidelberg, auf dem Weg zum Stuhlmuseum, zieht er auch gleich einen Holzstuhl aus dem Sperrmüll, er kann da einfach nicht dran vorbei gehen. In seinem Atelier nimmt er die Fundstücke auseinander und kombiniert sie mit anderen Stühlen zu seinen postimperialen Sitzmöbeln. Zwölf davon stehen jetzt im Stuhlmuseum Heidelberg, merkwürdige, dysfunktionale Kreationen aus Stahl, Holz und Kunststoff. Z.B. der Monostuhl – ein brauner Hocker aus der DDR-Zeit, über den ein weißer Plastiksessel gestülpt ist. Gemeinsam bilden sie ein Ganzes, das nicht recht zusammenpassen will. Dem Künstler geht es dabei um das deutsch-deutsche Zusammenwachsen, das so ungleichberechtigt war, übergestülpt – nicht auf Augenhöhe, wie er sagt. Seine Generation kann unbelastet auf die Wende schauen und David Polzin fragt sich, wie es gewesen wäre, wenn man den Menschen im Osten damals die Zeit und die Chance gegeben hätte ihre Wirtschaft selbst aufzubauen, nach eigenen Wünschen. Potential gab es doch. "Es gab auch Leute, die den ersten FCKW-freien Kühlschrank gebaut haben. Aber die westdeutsche Kühlschranklobby hat dafür gesorgt, dass die Firma doch eingestampft wurde. Was ist aus dieser kurzen knackigen Energie geworden. Da gab es doch Leute, die wollten aus dieser Fabrik, obwohl sie kein Geld hatten, etwas machen. Die hatten Selbstbewusstsein. Man hätte vielleicht auch Geld anders investieren können als in so Marktpassagen, die jetzt leer stehen, wo nur noch ein Kiosk und ein Bäcker ist." Deshalb hat er sich auch seine alternative, imaginäre Wirtschaft ausgedacht und zwar mit Hilfe von Firmenlogos. 350 Logos hat er gezeichnet. Sie repräsentieren allesamt Geschäfte, die es unter anderen Umständen hätte geben können, von der 'Servicegesellschaft für amtliche Datenübertragung' in Berlin bis hin zur 'Erdgasspeicheranlage' in Stralsund. Das ist ein Ökonomie komplett von Unten aufgebaut und die Namen sind in wunderbarem DDR Deutsch gehalten, sagt er und grinst breit. Sehen kann man die Logos im Kunstverein Heidelberg zusammen mit seiner 'Sammelstelle für Körperkontaktkunststoffe'. Das ist eine große Sammlung von Plastikbesteck, fein säuberlich ausgelegt. Auch sie erzählt von Hüben und Drüben, man muss nur genauer hinschauen. Ein beliebtes Sammelobjekt für Kinder waren bunte Eislöffelchen die es in DDR umsonst zum Eis gab, für Ivonne, David und Juliane. Erstaunlich ist das Design. "Es gab nur eine Version von Eislöffeln, aber individuell mit Namen drauf, die wurden sozusagen nach Namen gesammelt, was ja verblüffend ist für die DDR, weil Individualismus war ja nicht so gern gesehen." Sagt David Polzin, der acht Jahre alt war, als die Mauer fiel. Wie sich seine Heimat weiterentwickelt hat ist ein Thema, das ihn bis heute interessiert. Quelle: www.swr.de

SWR 2 Journal am Mittag 11.02.20017 (mp3)

 

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