Plattform Walldorf

"Die Plattform ist ein Familienersatz"

Begegnungsstätte und Fachberatungsstelle für Menschen in Notlagen gibt es seit 20 Jahren

"Ich wollte früher immer nach Kanada auswandern", schildert ein später wohnungsloser Mann seinen großen Traum. Daraus ist nichts geworden, auch nicht aus seinen anderen Plänen: "Ich wollte immer Kinder, eine eigene Familie, aber ich habe nie die Richtige gefunden. Irgendwann war ich lieber für mich." Ein anderer blickt auf einen schrecklichen Schicksalsschlag zurück: "500 Meter vor unserem Haus nahm ein Betonmischer meiner Familie die Vorfahrt, alle waren tot." Das sind Erlebnisse, die Menschen aus der Bahn werfen können, dokumentiert in der Wanderausstellung "Gesehen werden", die derzeit in den Räumen der Plattform im Walldorfer Schlossweg zu sehen ist.

Die Begegnungsstätte und Fachberatungsstelle für Menschen in Notlagen gibt es seit 20 Jahren. Aus diesem Anlass informierten die Städte Walldorf und Wiesloch sowie die Evangelische Stadtmission über die Einrichtung, die derzeit vorübergehend im Schlossweg untergebracht ist, während am alten Standort, in der Wieslocher Straße, ein Neubau entsteht. Wohnungslose, Menschen, denen der Verlust ihrer Wohnung droht oder die in ungesicherten Verhältnissen leben, aber auch Menschen in anderen Notsituationen, die Unterstützung benötigen, sind hier willkommen.

Sie erwartet ein auf drei Säulen fußendes Angebot: zum einen die von der Stadt Walldorf eingerichtete, an Werktagen von 11 bis 16.30 Uhr geöffnete Begegnungsstätte mit Dusch- und Aufenthaltsmöglichkeiten, einem warmen Mittagessen sowie der Möglichkeit, Wäsche zu waschen und zu trocknen. Zum anderen die Fachberatung der Stadtmission, die für Menschen am Rand der Gesellschaft eine Vielfalt von Hilfsangeboten bereithält: von der Unterstützung bei Behördenangelegenheiten oder der Beschaffung von Wohnraum über die Hilfe bei der Schuldenregulierung bis hin zum Zugang zu medizinischer Versorgung. Für die dritte Säule ist die Stadt Wiesloch zuständig: den Erfrierungsschutz im Adelsförsterpfad, der in der kalten Jahreszeit acht Schlafplätze bietet.

Die Kooperationspartner hätten sich vor 20 Jahren zusammengetan, weil man die Not der Menschen erkannt habe, so Walldorfs Bürgermeisterin Christiane Staab. Seither sei viel getan worden, um diese Not zu lindern. Auch Wieslochs Bürgermeister Ludwig Sauer betont die Verantwortung, sich "um Leute zu kümmern, die nicht auf der Sonnenseite stehen". Als "Mann der ersten Stunde" blickt Heinz Waegner (Leiter der Fachberatung) auf ein "immer sehr gutes Miteinander" zurück. "Diese Kooperation ist wirklich etwas Besonderes", sagt Gerhard Emig (stellvertretender Leiter der Fachberatung).

Heidi Farrenkopf, Geschäftsführerin der Wiedereingliederungshilfe der Evangelischen Stadtmission, sieht das Angebot nach wie vor als "nicht selbstverständlich" an und würde sich das "noch an ganz anderen Standorten wünschen". Inhaltlich sei das Konzept auch heute noch "wegweisend". Und das, obwohl sich in 20 Jahren einiges geändert hat: Bestand das Klientel früher überwiegend aus Durchwanderern, haben die meisten heute laut Doris Schuppe (Leitung Fachdienst Soziale Hilfen der Stadt Walldorf) "ein Dach über dem Kopf", und sei es auch nur in einer Notunterkunft. Damit hätten sich Aufgabenstellungen und Erwartungen an die Plattform verändert, heute sei sie für viele "eine feste Einrichtung, die ihre Tagesstruktur prägt".

Zudem, so Heidi Farrenkopf, biete sie ihnen durch die Beratung eine Perspektive, "ein niedrigschwelliges Angebot, um irgendwann wieder Fuß fassen zu können". Sozialarbeiterin Helene Wöllstein-Moser ergänzt: "Wir helfen bei allem, wo Bedarf ist, oder vermitteln an die entsprechenden Fachstellen." Ein echtes Problem in der Region: "Der Wohnungsmarkt ist sehr ausgedünnt", die Suche sei oft echte "Sisyphusarbeit".

2017 haben laut Sozialarbeiter Orhan Polat 279 Personen die Fachberatung in Anspruch genommen, davon waren 127 ohne Unterkunft oder lebten in ungesicherten Verhältnissen. Immerhin 49 (39 Prozent) wurden in Wohnungen, Notunterkünfte oder stationäre Einrichtungen vermittelt. Das Klientel der Plattform stammt aus allen Altersschichten, gut zwei Drittel der Menschen sind zwischen 30 und 60 Jahre alt. Viele schauen regelmäßig in der Plattform vorbei, Doris Schuppe spricht von über 4000 Besuchen im Jahr. "Die Plattform ist ein Familienersatz, sie gibt Stabilität und Sicherheit", sagt Orhan Polat. Dafür sorgt auch ein großes ehrenamtliches Engagement: Immer wieder springen zum Beispiel Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde in der Küche ein und gewährleisten so auch, dass die Plattform gerade in Ferienzeiten nicht geschlossen werden muss.

An all dem soll sich nichts ändern, wenn Ende 2019 oder Anfang 2020 der Neubau bezogen wird, das von der Dietmar-Hopp-Stiftung errichtete "Haus am Kreisel". Dann kommen mit Plattform, Tafel und Kleiderstube "drei Einrichtungen unter ein Dach", so der Erste Beigeordnete Otto Steinmann, die schon heute gut kooperieren. Ähnlich wie mit der aktuellen Interimslösung befinde man sich dann ganz bewusst wieder "in zentraler Lage" und nicht irgendwo "auf der grünen Wiese".

Quelle: Rhein- Neckar- Zeitung, 11. Dezember 2018

 

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