Wichernheim Heidelberg

"Diese Menschen haben noch Träume"

Fotoprojekt von Selina Bührer - Ausstellung eröffnet am heutigen Montag in der SRH-Hochschule

Quelle: Rhein- Neckar- Zeitung, 24. September 2018, Text: Philipp Neumayr, Fotos: Lukas Baitinger

Obdachlose werden häufig kaum wahrgenommen. Selina Bührer möchte das ändern. Sie will diesen Menschen ein Gesicht geben, die Geschichten hinter der Fassade zum Vorschein bringen. Die 24-Jährige hat im Rahmen ihres Studiums der Sozialen Arbeit an der SRH-Hochschule wohnungslose Heidelberger porträtiert. Ihr Fotoprojekt mit dem Titel "Gesehen werden" zeigt diese Menschen in einem neuen Licht und soll helfen, Vorurteile abzubauen. Die RNZ hat Bührer gefragt, auf welche Menschen sie dabei gestoßen ist - und was sie selbst gelernt hat.

Frau Bührer, wie kamen Sie darauf, Obdachlose zu fotografieren?

Während unseres Praxissemesters sollten wir als Studierende ein eigenes Projekt auf die Beine stellen. Ich war in dieser Zeit im Heidelberger Wichernheim (eine Einrichtung der Wiedereingliederungshilfe der Evangelischen Stadtmission, Anm. d. Red.) tätig und habe jeden Tag mit wohnungslosen Menschen zu tun gehabt. Meine Meinung war, dass ihren Geschichten und Hintergründen in der Öffentlichkeit oft viel zu selten Beachtung geschenkt wird. Daher kam mir die Idee, diese Menschen fotografisch zu porträtieren und das Ganze öffentlich zu machen.

Hat sich denn niemand gegen Ihr Vorhaben gesträubt?

Mein Ziel war es, bestimmte Vorurteile, die in der Gesellschaft gegenüber diesen Menschen bestehen, abzubauen. Das habe ich den Wohnungslosen vorab so auch in aller Ruhe erklärt. Natürlich gab es einige, die gesagt haben, das wollen wir nicht. Aber die meisten waren eigentlich schnell von dem Projekt überzeugt, mir gegenüber sehr offen und sogar ein wenig stolz, mitmachen zu können.

Was haben Sie persönlich bei der Zusammenarbeit gelernt?

Mir war in dieser Form nicht klar: Wirklich jeder kann in diese Situation geraten, in der sich die Bewohner des Wichernheims befinden. Einem der Porträtierten wurden etwa bei einem Autounfall die eigenen Eltern, die Frau und die beiden Kinder entrissen. Ein anderer hat von einem Moment auf den anderen die Liebe seines Lebens verloren - und es deswegen einfach nicht mehr geschafft, ins normale Leben zurückzufinden. Das sind Schicksalsschläge und Ereignisse, die jeden von uns treffen können. Ich persönlich habe mich danach oft gefragt: Wäre es mir nicht genauso ergangen, hätte mich ein ähnlicher Schicksalsschlag ereilt?

Inwieweit hat sich Ihre Sichtweise auf Obdachlose verändert?

Ich fand es schön zu erfahren, dass sich keiner dieser Menschen aufgegeben hat. Im Gegenteil: Viele dieser Menschen blicken optimistisch in die Zukunft. Irgendwann mit dem Freund zusammenziehen, die eigenen Kinder häufiger sehen, auswandern nach Frankreich: Die meisten dieser Menschen haben noch immer Träume, die sie sich erfüllen möchten. Dazu zählt natürlich auch, eine eigene Wohnung zu haben, einen Rückzugsraum nur für sich. Es gibt aber auch diejenigen, die sich in dem Heim gut aufgehoben fühlen und froh sind, einander zu haben.

Haben Sie denn zu keinem Zeitpunkt Frust oder Zweifel bei den Porträtierten gespürt?

Natürlich gibt es den auch. Es gibt zum Beispiel mehrere Wohnungslose, die gerne arbeiten würden, die das aber aus verschiedenen Gründen nicht können oder einfach nicht die Chance dazu bekommen. Einer der Porträtierten verriet mir, dass er sich frage, warum er nicht einfach auf eine einsame Insel gekommen sei, um seine Ruhe vor den ganzen Problemen auf der Welt zu haben. Aber ich glaube, dass die Menschen insgesamt dennoch sehr zufrieden sind. Materiell besitzen sie kaum etwas, aber wenn sie einander helfen können, dann sind sie zu jeder Zeit füreinander da. Ich habe das Gefühl, dass sie oftmals vielleicht sogar positiver gegenüber dem Leben eingestellt sind, als Menschen, die materiell viel besitzen.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer Ausstellung?

Ich würde mir wünschen, dass manche ihr negatives Bild von Obdachlosen korrigieren. Dass sie ihre Vorurteile abbauen und merken, dass diese Menschen oftmals dieselben Wünsche, Ängste und Hoffnungen haben. Unsere Gesellschaft sollte endlich anerkennen: Wohnungslose haben genauso Anerkennung verdient wie jeder andere auch.

Info: Die Ausstellung "Gesehen werden" wird am Montag, 16 Uhr, in der SRH-Hochschule (Galerie), Ludwig-Guttmann-Straße 6, eröffnet. Sie ist bis zum 19. November zu sehen. Eintritt frei.

Quelle: Rhein- Neckar- Zeitung, 24. September 2018, Text: Philipp Neumayr, Fotos: Lukas Baitinger

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